Kürzlich diskutierte Moderator Wieland Backes mit seinen Gästen im «Nachtcafé» (SWR) über den Sinn des Glaubens. Der Titel des Gesprächs lautete: «Nur wer glaubt wird selig?» Gläubige, Skeptiker und Atheisten kämpften um die besten Argumente. Friedhelm Hofmann, Bischof des Bistums Würzburg, versuchte das Publikum zu überzeugen, dass die Menschen auch in der heutigen Zeit noch Heimat und Sinnstiftung im Glauben suchen und finden. «Glauben zu können, ist ein Geschenk. Wenn der Glaube in der Welt fehlen würde, würde sich die Gesellschaft in einen Moloch verwandeln», glaubt der Bischof.
Wie fast immer, wenn Gläubige und Nichtgläubige verbal streiten, tauchte mehrmals die Frage der Theodizee auf. Und wie meistens gerieten die Gläubigen, diesmal vor allem Bischof Hofmann, in die Zwickmühle, wenn sie mit unbequemen Fragen konfrontiert wurden: Wie lässt sich das Leid auf der Welt angesichts eines liebenden Gottes erklären? Wie kann es der Barmherzige zulassen, dass Kinder an Krebs sterben, Frauen in Kriegen massenweise vergewaltigt werden, Zivilisten massakriert, Pilgerbusse verunfallen usw. Das Gegenargument von Bischof Hofmann: Gott hat dem Menschen den freien Willen gegeben. Er bemühte somit die Standardantwort aller Gläubiger, die das Elend aus religiöser Sicht nur schwer erklären können.
Damit bewegte sich der Bischof auf dünnem Eis, denn diese Standardverteidigung ist in sich falsch. Das Leid in der Welt wird nicht – oder nur in seltenen Fällen – durch den freien Willen von Menschen ausgelöst. Wer Leid erfährt, ist meistens Opfer von «höheren Umständen». Wenn jemand an Krebs erkrankt, hat es nichts mit dem freien Willen zu tun. Der Kranke hat sich die Krankheit sicherlich nicht mit seinem freiem Willen herbeigewünscht. Man kann einwenden, dass der Raucher damit rechnen muss, an Lungenkrebs zu erkranken. Es gibt aber Menschen, die ein Leben lang rauchen, ohne zu erkranken.
Oder: Wenn eine Frau ihren Lebenspartner oder ein Kind auf irgend eine Weise verliert, hat dies sicher nichts mit ihrem freien Willen der Frau zu tun. Das Argument sticht nicht einmal bei einem Unfall oder Gewaltverbrechen: Gläubige können argumentieren, wer auf einem Fussgängerstreifen von einem Raser umgefahren wurde, ist Opfer eines Menschen, der den freien Willen hatte zu rasen. Nur: Mit dem freien Willen des Opfers hat es nichts zu tun. Vielmehr erfährt das Opfer mehr Leid als der Täter. Aus ethisch-moralischer Sicht und auch aus religiöser Perspektive ist das Argument mit dem freien Willen widersprüchlich. In manchen Fällen ist es sogar scheinheilig, oder gar zynisch, weil es die Opfer beleidigt.