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Channel: Hugo Stamm
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Heuchlerische Abtreibungsinitiative der braven Christen

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ABTREIBUNG, ABTREIBUNGSFINANZIERUNG IST PRIVATSACHE,

Plakat der Initianten: Abtreibungen werden auf ein pekuniäres Problem reduziert. Bild: Keystone

Die Abtreibungsgegner unternehmen wieder einmal den Versuch, vermeintlich leichtfertige Frauen zu stigmatisieren. Wer abtreibt, soll die Kosten selbst übernehmen. Darüber stimmen wir in einer Woche ab. Der Titel der Initiative: «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache.»

Das ist eine billige Mogelpackung. Denn es geht den Initianten aus dem christlich-dogmatischen Lager um viel mehr. Sie möchten eigentlich Abtreibungen ganz verbieten, viele sehen darin einen Mord. Da sie mit einem Verbot der Fristenregelung keine Chancen hätten - die Fristenlösung wurde einst mit über 70 Prozent angenommen -, wollen sie die Stimmbürger über das Portemonnaie ködern. In der Hoffnung, dass Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, stigmatisiert und ausgegrenzt werden. Die Superchristen hoffen sogar, dass manche abtreibungswillige Frau ihr Kind dann doch noch austrägt. Also ein «Mord» weniger passiert und sie sich moralisch nicht mitschuldig machen, weil sie diesen nicht über die Krankenkasse mitfinanzieren müssen.

Das ist das engstirnige Denken vieler Strenggläubiger. Es kümmert sie offensichtlich nicht, dass mittellose Frauen bei einer Annahme der Initiative zu sogenannten «Engelmacherinnen» gehen müssten, die mit gefährlichen Instrumenten einen Abort auslösen. Und dass dann Ärzte die Komplikationen eines unsachgemässen Abbruchs behandeln müssten, was über die Krankenkasse abgerechnet würde. Es gibt Schätzungen, wonach diese Kosten gesamthaft höher ausfallen könnten als die «normalen» Schwangerschaftsabbrüche. Apropos Mord: Schon viele Frauen sind in der Vergangenheit an den Folgen eines fahrlässigen Schwangerschaftsabbruchs gestorben.

Es ist auch ein Irrtum zu glauben, die Zahl der ungewollten Schwangerschaften werde rückläufig, wenn die betroffenen Frauen oder Paare die Abtreibung selbst berappen müssten. Mit den modernen Verhütungsmitteln ist zwar die Zahl der Abtreibungen drastisch gesunken, doch es wird auch in Zukunft «Unfälle» geben. Selbst im Lager von Freikirchlern, die mit allen Tricks versuchen, Abtreibungen zu verteufeln - man denke nur an die teilweise erfolgreichen Mordanschläge in den USA auf Gynäkologen, ausgeführt von fanatischen Christen.

Letztlich geht es bei der Initiative um eine Bestrafung der Frauen, die in einer Notlage sind und keinen andern Ausweg wissen. Die Initianten tun so, als sei die Entfernung eines Fötus' heute ein kurzer Eingriff, den man rasch in einer Arbeitspause vornehmen lasse. Frauenärztinnen bestätigen aber, dass sich die meisten Frauen sehr schwer tun, den Entscheid zu fällen und den Fötus abtreiben zu lassen.

Die gläubigen Initianten hingegen reduzieren die Abtreibung auf ein pekuniäres Problem. Sie werben mit einer strahlenden  jungen Mutter, die ihr Kleinkind auf dem Arm trägt. Dieser Frau legen sie den Satz in den Mund: «Ich will doch keine Abtreibungen mitfinanzieren müssen!» Das ist ein Schlag ins Gesicht der vielen Frauen, die keinen anderen Ausweg finden. Eine wahrlich christliche Haltung, die viel Liebe zu den Mitmenschen verrät.

Viele Gläubige nehmen für sich in Anspruch, besonders verantwortungsbewusst und moralisch zu handeln und zu leben. Wer aber taktische politische Spiele bei einer so existentiellen Frage betreibt, lügt sich selber etwas vor. Dann heiligt der Zweck das Mittel. Es wäre interessant zu erfahren, wie Jesus Christus abstimmen würde, wenn er denn eine Stimme hätte.


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