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Channel: Hugo Stamm
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Die Gier regiert den Geist

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Sinnbild der Prunksucht: Ex-Bischof Tebartz-van-Elst. Foto: Keystone

Sinnbild der Prunksucht: Ex-Bischof Tebartz-van Elst. (Foto: Keystone)

Religionsgemeinschaften verstehen sich als Hüter von Moral und Ethik. Dank göttlicher Inspiration glauben sie zu wissen, welche geistigen und religiösen Ideen die Menschen zu besseren Wesen machen. Ein Hindernis war das «Fleisch». Die Urchristen hatten schon in grauer Vorzeit erkannt, dass der Geist willig ist, das Fleisch aber schwach, wie Matthäus (26,41) schrieb.

Die frühen Christen beanspruchten das geistige und geistliche Monopol und bauten ihre Macht über die Jahrhunderte kontinuierlich aus. Auch sozialpolitisch. Über den Beichtstuhl reichte ihre Kontrolle bis unter die Bettdecke. Mit ihren moralisch rigiden Geboten bestimmten die Geistlichen, was für die seelische Entwicklung gut sei. Reichtum gehörte definitiv nicht dazu.

Deshalb versuchten die Kirchen, ihre Schäfchen darauf zu trimmen, Mass zu halten. Die Gier wurde zur Sünde erklärt – das vermutlich stärkste Mittel zur Disziplinierung. Als Zeuge zogen sie Jesus heran. Der bescheidene Wanderprediger und barmherzige Samariter schien ein glaubwürdiger Botschafter zu sein.

Weniger bescheiden war Jesus, wenn er seine Dogmen und Vorsätze zur Norm erhob. Schliesslich wusste auch er, wie schwach das Fleisch sein kann. So ersann er das Gleichnis vom Nadelöhr. Laut den Evangelien predigte Jesus, dass ein Kamel eher durch ein Nadelöhr gehe als ein Reicher durch die Himmelspforte. Die klare Ansage eines radikalen Moralisten.

Die Geschichte mit dem Kamel ist bildlich zu verstehen, also eine Metapher. Doch wie soll man das Bild vom Reichen interpretieren, der nicht ins Reich Gottes gelangen soll? Ist das auch nur ein Gleichnis? Gibt es eine Alternative zum Reich Gottes?

Für die katholische Kirche, die das Erbe des Wanderpredigers verwaltet, scheint das Gebot der Bescheidenheit nicht zu gelten. Sie legte sich schon früh ins Lotterbett der Könige und Kaiser und wurde für ihre Vasallentreue reich beschenkt. Ein Blick auf den Pomp im Vatikan und seine Bank macht klar, dass die katholische Kirche bös abspecken müsste, um durchs Nadelöhr zu passen.

Auch viele Würdenträger würden kaum schlank durch den engen Spalt rutschen. Der Skandal um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst, der seine Residenz feudal renovierte, ist zum Sinnbild der Prunksucht geworden.

Jesus scheint etwas falsch gemacht oder eingeschätzt zu haben, wenn es nicht einmal seinen Stellvertretern gelingt, das Gebot der Bescheidenheit zu leben. Als Verfechter der Schöpfungslehre hat er vermutlich die evolutionäre Seite der menschlichen Raffgier ausser Acht gelassen. Als die Menschen noch Sammler und Jäger waren, gehörte die Gier zum Überlebenstrieb. Diese genetische Prägung scheint unser Verhalten immer noch zu bestimmen. Wie irrational unser Gebaren ist, zeigen uns die Banker mit ihren exorbitanten Löhnen und Boni. Es scheint, dass mit wachsendem Reichtum die Raffgier weiter zunimmt, wie es Vasella, Hoeness und Co. demonstrieren.

So sind die Gene, oder eben das Fleisch, auch heute noch meist stärker als der Geist. Daran konnte auch Jesus nichts ändern. Seine frommen Nachfolger schon gar nicht.


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