Papst Franziskus kann schon kurz nach seiner Wahl eines der höchsten christlichen Feste feiern: Ostern. Der oberste Hirte der katholischen Kirche, der mit seinen barmherzigen Gesten weltweit für Aufsehen sorgt und viel Goodwill erntet, nutzt Ostern, weitere Zeichen zu setzen. So hat er am Gründonnerstag eine Messe in einem Jugendgefängnis gefeiert und dabei 12 jungen Straftätern die Füsse gewaschen.
Mit diesem Ritual der Demut hat Franziskus bewiesen, dass er ein Herz für die Armen und Gestrauchelten hat. Aussergewöhnlich war seine Fusswaschung auch, weil er sie zwei jungen Frauen angedeihen liess. Das ist ein veritabler Bruch mit der Kirchentradition, denn Frauen nahmen bisher nicht an der Fusswaschung teil. So können wir gespannt sein, was für symbolträchtige Gesten oder unerwartete Botschaften er beim Entzünden des Osterlichtes oder bei der Ostermesse am Sonntagmorgen in die Welt hinausschicken wird.
Der volksnahe neue Papst wird bereits jetzt schon in die Geschichte eingehen als der bescheidene Hirte, der sich auf die Seiten der Armen schlägt und sich nicht scheut, auf der Strasse Behinderte zu küssen.
Doch bisher ist Franziskus erst ein Papst der effektvollen Symbolik, als hätte ihm ein raffinierter PR-Manager ein wirkungsvolles Marketing-Konzept auf den Leib geschrieben. Denn die bisherigen Worte und Gesten haben Franziskus nichts gekostet, aber einen eindrücklichen Imagegewinn gebracht. Doch die Nagelprobe oder der Tatbeweis stehen dem neuen Papst erst bevor. Er muss beweisen, dass ihm die Armen wirklich am Herz liegen und dass die Wahl des Namens nicht nur ein geschickter Schachzug war. Und da kommen Zweifel auf.
Es macht den Anschein, als erliege Franziskus einem inneren Widerspruch. Er ist ein rückwärtsgewandter, konservativer Charakter und vertritt die traditionellen Werte der katholischen Kirche. In dieser Hinsicht unterscheidet er sich nicht wesentlich von seinen Vorgängern Johannes Paul II. und Ratzinger. Ich bezweifle aber grundsätzlich, dass man in der heutigen Zeit politisch und religiös konservativ sein und sich gleichzeitig wirkungsvoll für die Armen einsetzen kann. Wer nicht nur salbungsvoll die Interessen der Armen proklamiert, sondern die realen Lebensbedingungen der Benachteiligten verbessern will, muss ein fortschrittliches politisches Weltbild vertreten.
Es reicht also nicht, die Armen ins Gebet einzuschliessen und ihnen Almosen zu geben. Es braucht strukturelle Veränderungen, damit die Armut bekämpft werden kann. Um den Reichtum besser zu verteilen, muss man die Reichen und Mächtigen in die Pflicht nehmen – und zwar politisch. Menschen mit einem konservativen Weltbild sind kaum in der Lage, die Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Diesen Weg haben die Befreiungsethologen beschritten, doch sie wurden von der Kurie in die Wüste geschickt. Franziskus hat sich nicht auf ihre Seite geschlagen. Er ist schon gar nicht einer von ihnen.
Die Gesten und Botschaften von Papst Franziskus werden erst glaubwürdig, wenn er den Tatbeweis erbringt. Zuerst müsste er seine Rolle gegenüber der argentinischen Junta offenlegen und Transparenz schaffen. Dazu sollte er auch das Archiv öffnen. Dann müsste er die Finanzpolitik des Vatikans umgestalten. Franziskus kann nicht der Papst der Armen sein und gleichzeitig oberster Chef eines Finanzimperiums, das nach kapitalistischen Methoden arbeitet und immer wieder Skandale produziert. Er müsste auch die aufgeblähte Kurie entschlacken und einen bescheideneren Lebensstil im Vatikan durchsetzen.
Wenn es ihm wirklich um die Armen geht, muss er Kondome zulassen und darauf bedacht sein, dass die katholische Kirche wieder eine Volkskirche wird. Ein Papst der Armen müsste auch zwingend die Gleichheit aller Menschen akzeptieren und die Frauenordination in Betracht anstreben. Ausserdem müsste der die Frage des Zölibats angehen. Ein Tatbeweis könnte er auch erbringen, indem er den Churer Bischof Vitus Huonder und dessen Generalvikar Martin Grichting abberufen würde, die ein autoritäres Regime führen und sich um die Bedürfnisse der Kirchgemeinden foutieren.