Timbuktu. Der Name weckt Fantasien. Wer die entlegene Wüstenstadt mit ihren Lehmbauten am Südrand der Sahara in Mali besucht hat, wird sie nicht mehr vergessen. Timbuktu ist eine einzigartige Karawanenstadt, ein Knotenpunkt von Handel und Gelehrsamkeit seit Urzeiten – und Unesco-Weltkulturerbe.
Ist? Vielleicht muss man heute sagen: war.
Timbuktu wurde in den letzten Monaten Zielscheibe von Islamisten, die Mausoleen und Moscheen zerstörten und die Bevölkerung terrorisierten. Als französische Soldaten und die malische Armee Timbuktu in diesen Tagen zurückeroberten, zündeten die Islamisten die Bibliothek Ahmed Baba an. Tausende antiker muslimischer Schriften verbrannten – und mit ihnen ein Teil des Gedächtnisses von Afrika. Was treibt religiöse und politische Fanatiker an, die historische Identität einer Stadt zu zerstören?
Demütigung des Gegners und Zerstörung seiner kulturellen Güter gehören in vielen Weltgegenden zum Krieg. Dem Feind wird die Identität geraubt, indem man seine markantesten Bauten schleift, seine religiösen Symbole zerstört, seine Kunstdenkmäler ruiniert. Zu diesem Muster gehört in manchen Fällen auch die systematische Vergewaltigung von Frauen. Soldaten erniedrigen damit ein ganzes Land. Bleibt die Frage, weshalb die Islamisten in Timbuktu ihre Glaubensbrüder drangsalieren und peinigen, indem sie deren Kulturgüter vernichten. Für Eiferer gilt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Bilder und Symbole werden zerstört, weil die Islamisten darin einen Verstoss gegen das islamische Bilderverbot sehen. Zudem haben sich in Timbuktu über Jahrhunderte religiöse Traditionen und Rituale herausgebildet, die den Fundamentalisten als Hüter der vermeintlich reinen Lehre unerträglich sind.
Letztlich wollen die Islamisten – wie die Erschaffer der Kunstwerke – Spuren hinterlassen. Nur eben destruktive. Sie sehen ihre Taten als Mahnmal wider den angeblichen Irrglauben. Dass sie damit ihre eigenen historischen und spirituellen Wurzeln zerstören, dämmert ihnen in ihrem Fanatismus und in ihrer Zerstörungswut nicht.